Ich weiß ja nicht, ob das allen Fotograf:innen so geht. Sicher ist nur, wer so mit den Menschen arbeitet wie ich, der erlebt Beziehungen zwischen ihnen ganz anders. Egal ob bei Paaren, Eltern mit Kindern oder Geschwister. Ich hatte das große Glück, in den letzten 12 Jahren viele Liebesgeschichten mitzuerleben, einige davon möchte ich heute mit euch teilen.

Überall in ihrem Haus hängen Fotografien von ihr, aufgenommen in den Jahrzehnten einer großen Liebe. Auf manchen sieht sie aus wie Sophia Loren mit ihrem großen Sonnenhut. Er seufzt, als er von damals erzählt. Zärtlich streift sein Blick über die Erinnerungen. Er weiß ja, dass heute vieles anders ist, aber das Gefühl in den Fotografien ist so lebendig. Auch ich durfte beide fotografieren, tanzend, sich im Kreis drehend und für eine kurze Zeit wieder so jung wie damals.

Es fällt vielen schwer, an die wahre Liebe zu glauben. Das kann ich verstehen. Ich selbst aber habe sie oft beobachtet, wie auch bei Andrea und Robert, bei denen man den Eindruck hat, sie hätten sich erst kürzlich gefunden. Doch ihre Liebe hat eine lange Geschichte, sogar per Traumhochzeit hatten sie damals im Fernsehen geheiratet. Dieser Zauber ist ungebrochen und immer wenn ich sie sehe, sage ich ihnen, wie viel es mir bedeutet, ein so positives Beispiel zu kennen, wie sie sich ansehen, sich unterstützen und sich irgendwie jeden Tag neu ineinander verknallen.

Doch Liebe hat so viele Gesichter, zwei davon habe ich gemeinsam fotografiert. Als er seine Schwester Anna betrachtete, musste Max lächeln. Verschwörerisch standen sie beisammen, schafften es kaum ernst zu bleiben. Es war wundervoll, sie dabei zu beobachten. Eigentlich hätte er für die Fotos seiner Schwester nur als "Klient" modeln sollen, es wurden aber darüber hinaus unendlich wertvolle Zeitdokumente. Eines Tages erlag Max seiner schweren Krankheit, doch irgendwie wird er immer da sein, auf den Fotos mit Anna, denn plötzlich ging’s da um Liebe.

Wie unendlich wertvoll Bilder sein können, wird einem manchmal erst danach bewusst, besonders berührend, wenn ich Kinder fotografieren darf. Kinder, die der ganze Stolz ihrer Eltern sind, die dann geboren wurden, als niemand mehr damit gerechnet hätte, dass es doch noch klappt. Kinder, die die Welt auf ihre ganz eigene Art sehen und verändern und jene, denen nicht mehr viel Zeit bleibt. Auch wenn diese Geschichten nicht immer ein schönes Ende haben, ich lerne so viel aus ihnen; wie wertvoll Augenblicke sind und wie wir sie speichern können.

Doch auch die junge Liebe kann einem ganz schön die Haare zerzausen. Durch den Sucher zu sehen, wie es zwischen zwei Menschen knistert, wie sie sich nahe sind. Da kann man am Auslöser manchmal ganz schön nervös werden aus Angst, den perfekten Augenblick zu verpassen. Aber dann klappt es eigentlich immer, tiefe Blicke und zärtliche Gesten, festgehalten von einem Fotografen, der immer irgendwo Liebe findet.

Du merkst vielleicht, es geht gar nicht um Fotos, tut es übrigens meistens nicht. Es geht um das ganz große Gefühl, das manchmal nur einen sprichwörtlichen Rahmen braucht. Dann musst du es als Fotograf laufen lassen und unsichtbar werden für einen ungestörten Moment, an dem die Welt kurz stehen bleibt.